Die Spur, die der Elch hinterlässt, weist einige Einflüsse auf, die sich - soweit sie von Aussen wirken - bezeichnen lassen.
Das Verständnis und Bild vom Menschen prägten im Besonderen, meine Kindheit mit einem geistig behinderten Geschwister und die Erfahrung fremder Kultur durch die Herkunft meiner Mutter. Der Vater hingegen öffnete mir die Welt der Architektur - des Raumes.
Theater begriffen als Ort, der diese beiden Dinge - Mensch und Raum - in Echtzeit definiert, mag meine frühe Erkenntnis erklären hier mein Spielfeld gefunden zu haben und ist als Ausgangspunkt bis heute in meiner Arbeit zentral.
Meine Liebe zur Sprache führte mich zu den Germanisten wo in den 80er Jahren die Rezeptionsästhetik „en vogue“ war. Diese Theorie übersetzt auf das Theater lieferte Idealerweise den Überbau für meine frühen Versuche der „Interaktion“ Zuschauer - Dargestelltes.
Gleichzeitig konfrontiert mit der Realität des Berner Stadttheaters (als Assistent) und den damaligen Ikonen Stein, Peymann, Bondy und Zadek formte sich mein Widerspruch: kann Theater noch mehr sein als (verkürzt gesagt) Repräsentation? Welche Situation ist das, die Menschen mit anderen Menschen zusammenbringt, die etwas aus der Menschheitsgeschichte darstellen? Eine bis heute andauernde Suche begann.
Als erstes verabschiedete ich mich von der (damaligen) Stadttheaterästhetik mit einer Inszenierung, die selbige auf die Spitze trieb. Maleine (1992) rekonstruierte den Repräsentationsapparat ins Taschenformat und sollte den Guckkasten ins Publikum hinein oder den Zuschauer auf die Bühne tragen. Nur andeutungsweise geglückt, versuchte ich als Nächstes die Zweiteilung aufzuheben. Trust the process (1993) bespielte vier Seiten und war mein erstes richtiges „Ritual“ (eine Einweihung). Ich entdeckte die Möglichkeit auch Nicht-Schauspieler in eine Performancesituation zu bringen (Festredner Foto 1) und erweiterte später diese Idee in meinen beiden Autorenperformances Alles ist Absich (1998) und Einspeisen.(2000).
Wie weit könnte ich aber mit meinem Publikum gehen? Welche Vereinbarungen waren zwingend? Welchen Situationen konnte ich sie aussetzen? Jugend ohne Gott (1995) schuf eine (Performance-?) Situation wo sich die Grenzen zum Zuschauerraum auflösten und nicht einmal mehr klar war, wann und wo das Stück beginnt (siehe auch Foto 2).
Dass anschliessend mit Transcend the bullshit eine Performance folgte die sämtliche Vereinbarungen verweigerte ist vielleicht nur für mich als Erfahrung von Bedeutung.
Philoktet (1997) deutete das alte Schlachthaus als Kultplatz (Foto 3). Alles Technische und die Tribüne verschwanden. Der Zuschauer musste sich seinen Ort im Geschehen zwischen Sandsteinmauern selber suchen und (!) verantworten.
Hatte ich bereits Maeterlincks Maleine (erschienen 1889) in einem Grunderzeitbau mit Eifelturmästhetik und Jugend ohne Gott im Ambiente eines alten Hörsaales gespielt, erweiterte ich die Zeitreise bei Philoktet auf der Textebene. Die Strukturfolie von Sophokles (an der Grenze zum Vor-Schriftlichen) holte Heiner Müllers moderne Interpretation des antiken Textes zurück ins archaische.
Eine weitere Zeitreise realisierte ich mit Einspeisen, wo ich die Situation des legendären „Junkere 37“ nach Franz Gertschs berühmtem Bild mit heutigen Autoren nachstellte oder bei Casanova cleansing (1998) das in einem Haus stattfand, das bei Casanovas bekanntem Spaziergang zur Badgasse bereits am Wegrand lag.
Die Möglichkeit aus Geschichte zu lernen, und die Möglichkeit Geschichte durch Räume oder Gegenstände auferstehen zu lassen, bezeichnen ein weiteres Prinzip meiner Arbeit.
Bei Habgier (2002) bestand meine Absicht darin, Texte (zum Thema Liberalismus) aus 500 Jahren in chronologischer Reihenfolge zu einer Reise ins Verstehen des Jetzt zu führen. Inmitten von Industrieschrott und beleuchtet von Lichtmaschinen aus allen Epochen, angefangen bei der Kerze.
Gier (2001 Foto 4) und Tod - Der Ackermann aus Böhmen (2004 Foto 5) bezeichnen den Versuch Orte zu besetzen die dem Ritual gehören. Es ist in gewisser Hinsicht eine Rückeroberung jener Kultplätze aus denen heraus das Theater geboren wurde. Die Vereinbarung des Theaters wird um die Dimension des Göttlichen bzw. des Endlichen in konkretester Weise ergänzt. Wer hier ins Theater geht wird auch davon berührt.
War es in einem Fall ein mutiges zeitgenössisches Stück, zeigt der Text der beginnenden Neuzeit (1401) mein Vertrauen in altes Wissen. Wo Johannes von Tepl nichts mehr sagen kann, können wir nichts mehr hinzufügen.